Vielleicht ist das Basilikum schuld. Meinetwegen auch der Thymian, im Zweifelsfall sogar der Rosmarin. Die Beweislage ist nicht ganz eindeutig. Sicher ist: Erst standen sie auf der Küchenfensterbank. Gerupft und gezupft ging’s schließlich ab auf den Ackerstreifen hinterm kleinen Gewächshaus. Natürlich gefällt’s ihnen dort. Sehr sogar. Immerhin ist das Plätzchen sonnenverwöhnt, der Boden genau richtig und obendrauf gibt’s auch noch was ordentliches zu futtern. Mehr geht nicht! Eigentlich die perfekte Wellness-Oase für meine Kräuter – wäre es nicht schon das Zuhause meines Rhabarbers. Zoff ist im neuen Küchengarten also vorprogrammiert! Wenn ich das nur vorher gewusst hätte…
Der Rhabarber ist eingeschnappt! Muss das sein?
Seit knapp 5 Jahren lebt der Rhabarber in dem Beet zwischen meinem Carport und dem Gewächshaus. Bisher ungestört. Ganz in Ruhe. Geradezu idyllisch. Beste Wohnlage eben. Dass es ihm dort gefällt, ist nicht zu übersehen. Er bedankt sich fürs schicke Plätzchen mit zwei grandiosen Ernten im Jahr – eine im Frühling, die andere im Sommer. Nun hat der Rhabarber plötzlich Nachbarn, muss sich das Beet teilen und auch vom Futter etwas abgeben. Ungefragt und ungewollt. Wen wundert’s, dass mich das Gefühl beschleicht, er sei ein wenig eingeschnappt? Egal, muntere ich mich auf, da muss er durch. Die werden sich schon alle vertragen. Über kurz oder lang. Da bin ich mir sicher.

Allerdings: Drei Kräutertöpfchen sind mir zu wenig. Das sieht mickrig aus. Mehr ist eben doch mehr. Also wird für Zuzug gesorgt. So ziehen schließlich noch Salbei, Koriander und Oregano ins sonnenverwöhnte Beet. Jetzt wird auch das letzte Fleckchen Erde im Beet genutzt. Der Ackerstreifen wird zum Küchengarten. Klein, fein, mein. Und wie das duftet! Herrlich! So riecht Urlaub im Süden. Wunderbar. Ich schnipple, zupfe und rupfe ich mich nun mit Hingabe durchs neue Gärtchen. Fröhlich. Optimistisch. Entspannt.
Bruno hält hier seelenruhig sein Mittagsschläfchen
Fix wird mein kleiner Küchenacker der neue Hotspot im Garten: Bienen leisten mir dort bei der Arbeit Gesellschaft, Schmetterlinge flattern entspannt umher und mein Bruno hält seelenruhig in der angrenzenden Buchenhecke sein Schläfchen. Kein Wunder, dort ist es kühl, feucht und ruhig. Das wissen Golden Retriever an heißen Tagen zu schätzen. Auch mittags, wenn die Sonne am höchsten steht und es im neuen Küchengarten brutzlig warm wird, ist in der Buchenhecke das Klima angenehm. Zudem duftet es dort nun grandios. Das mag Bruno und ich find’s toll.

Die Arbeit in meinem Mini- Kräutergarten tut mir gut. Sein Duft entspannt. Jeder Ärger ist sofort vergessen und der Frust fällt ab. Wühle ich mich durch die Beeterde, schlägt meine Seele Purzelbäumchen. Zupfe ich zwischen Basilikum und Rosmarin das Unkraut, schleicht sich Zufriedenheit ein. Kopfschmerzen, verspannter Nacken, Unwohlsein – alles binnen weniger Minuten verschwunden. Mein kleiner Kräutergarten verfügt über heilende Kräfte. Allerdings: Der Platz wird knapp. Logisch. Pflanzen wachsen eben. Es muss etwas passieren.
Jetzt heißt es: Friedenschaffen ohne Waffen!
Kein Wunder, dass die Harmonie langsam, aber sicher flöten geht. Im Küchengarten herrscht mittlerweile miese Stimmung: Der Salbei zickt sich mit dem Basilikum, der Rosmarin verkloppt den Oregano, der Thymian hat vom Rosmarin die Schnauze voll. Und der Rhabarber setzt dem ganzen noch das Krönchen auf: Er breitet einfach seine Blätter so opulent aus, dass keines der Kräuter mehr einen Chance auf Licht, Sonne und Wohlbefinden hat. Statt einem fröhlichen Miteinander herrscht purer Egoismus. Jeder denken nur an sich. Schlimm! Jetzt heißt es für mich: Frieden schaffen ohne Waffen. Alles klar! Die Raufbolde müssen getrennt werden. Das eine oder andere Kraut wird wohl umziehen ziehen. Aber wohin?

Ich recherchiere, lese, surfe. Soll ich eine Kräuterschnecke bauen oder noch schnell ein Hochbeet aufstellen? Nein, dafür ist kein Platz mehr im kleinen Garten! Einzelne Kräuter in Töpfe setzen und damit die Terrasse dekorieren? Schon besser. Der ultimative Tipp: Wie wär’s mit einem „Vertical Garden“? Einfach die Kräuter die Wand hochwachsen lassen? Tolle Idee, super schick, voll im Trend! Ich mache beides – ich hab‘ doch erst kürzlich was Passendes im Gartencenter gesehen. Also, ab geht’s. Wieder einmal. Und ich werde tatsächlich gleich fündig – überraschend günstig.
Nun wachsen die Kräuter auch die Terrassenwand hoch
Genügend Pflanzkübel für die Terrasse stapeln sich längst in meinem Schuppen. Ich benötige also nur das Material für den Wandgarten. Schnell kaufe ich zwei Halterungen, dazu einige leichte Töpfe und Blumenkästen. Wieder zu Hause kommt die Bohrmaschine zum Einsatz. Vier Löcher pro Halterung müssen in die Wand, Dübel rein, Halterung anschrauben, das war’s. Jetzt wird überlegt, wer aus dem Küchengarten zu mir auf die Terrasse zieht. Die Entscheidung fällt fix: Rosmarin, Thymian, Koriander und Oregano werden ihre Koffer packen. Dazu gesellt sich noch die Petersilie. Schließlich wird ausgebuddelt, eingetopft und aufgehängt. Nun brummt und flattert es auch dort. Allerdings finden nicht alle Kräuter im Wandgarten ein neues Zuhause. Der Salbei wandert in einen Terrakottakübel, der Oregano in einen italienischen Tontopf – andere bleiben im Beet, werden allerdings versetzt.

Der zweiter Basilikum bleibt auf dem Acker. Ein Salbei, ein Rosmarin und auch ein weiterer Oregano ebenfalls. Sie haben nun alle ausreichend Platz um sich zu entfalten. Der Rhabarber zieht allerdings noch um! Ja, auch er verlässt das Beet. Bleibt jedoch ganz in der Nähe: Ich habe zwischen Gewächshaus und Hecke ein neues, sonnenverwöhntes Plätzchen für ihn gefunden. Da kann er sich wieder ungestört ausbreiten. Nun macht niemand mehr irgendwem was auch immer streitig. Und ich habe noch mehr Platz im Beet. Den brauche ich auch. Warum? Ich habe im Gartencenter natürlich nicht nur alles Notwendige für den Wandgarten gekauft. Da ist noch einiges mehr in meinen Einkaufswagen gewandert. Wie von Zauberhand. Das ist Dir auch schon passiert, oder?
Ein Garten wird doch niemals fertig, oder?
Mein endlich befriedeter Kräutergarten wird künftig nämlich noch von zwei Kletterrosen verschönert. Zwei Mal die Gertrude Jekyll. Rosa, mehrfach blühend, aus England. Ein Traum von Rose. Die Neulinge werden sich künftig an zwei schwarzen, englischen Rankgittern hochblühen. Dafür reicht der Platz. Ganz bestimmt. Wunderbar! Nach der erledigten Friedensmission freue ich mich nun aufs kommende Jahr. Dann werde ich meinen neuen Kräutergarten samt Rosen und Rhabarber in seiner ganzen Pracht genießen können. Wie heißt es doch so schön: Ein Garten ist niemals fertig. Meiner auch nicht. Drama inklusive. So kommt wenigstens keine Langeweile auf.
Schreibe einen Kommentar