Juli - Igel - Illustration - Franks kleiner Garten

EIN HUND, DER IGEL UND DIE NACHT

In der Stadt wird es niemals wirklich dunkel. Irgendwo brennt immer ein Licht:  Alleine in Berlin bringen rund 224.500 Straßenlaternen Licht in die Nacht. In München leuchten 110.000 Straßenlaternen, in Frankfurt am Main sind es immerhin 75.000. Damit aber nicht genug, da gibt’s noch beleuchtete Reklametafeln, Bürohäuser, Schaufenster, Einkaufspassagen und Sehenswürdigkeiten. Richtig düster wird die Nacht dort also nie. Auf dem Land ist das anders. Wenn es dort Nacht wird, sieht man die Hand nicht mehr vor den Augen. Auch in meinem kleinen Garten nicht.

In lauen Nächten machen wir es uns auf der Terrasse gemütlich

Mein Garten bleibt dunkel. Keine Lampions in den Bäumen, keine Solar-Lampen in den Beeten und schon gar keine bunten Strahler unter den Bäumen oder in der Hecke. Das ist beschlossene Sache. Nur für die Vorweihnachtszeit mache ich eine Ausnahme. Dann gibt’s Lichterschmuck am Haus und im Garten. Aber nur sehr dezent. Klassisch. Nix Buntes. Und schon gar nichts, das flackert. Jetzt im Sommer, machen wir es uns in lauen Nächten bei Kerzenschein auf der Terrasse gemütlich. Das ist romantisch. Ursprünglich. Natürlich. Mir gefällt’s. Meinem Golden Retriever Bruno scheint’s ähnlich zu gehen.

 

Sie sind Nachtschwärmer: Auch in meinem kleinen Garten sind Igel im Schutz der Dunkelheit unterwegs. Foto: Coates

 

 

Am liebsten ist mir ohnehin eine „natürliche“ Beleuchtung. Richtig kuschelig wird’s bei Vollmond. Dann liegen Hund und Herrchen im Sommer zusammen auf dem Rasen und bewundern den Sternenhimmel. In der Ferne meldet sich ein Käuzchen und Fledermäuse jagen über unseren Köpfen Insekten. Ansonsten ist es still. Herrlich. Ich liebe dieses Idyll. Bruno ebenso. Ganz nachdenklich legt er sein Köpfchen auf die rechte Pfote und schaut dann weise in den Garten. Nicht lange, dann fallen meiner Schlafmütze die Augen zu und ein leises Schnarchkonzert beginnt. Nur wenn’s plötzlich in der Hecke raschelt, ist Schluss mit lustig. Dann ist mein Golden Retriever wieder hellwach, spitzt die Ohren und setzt zum Sprung an.

Aus einem Grollen wie ein Knurren, dann ein Bellen

Bruno hebt den Kopf, horcht in die Dunkelheit und gibt ein leises Grollen von sich. Aus dem Grollen wird schnell ein Knurren und schließlich ein drohendes Bellen. Und schon sprintet er zur Hecke. 1, 2, 3 und schwups – schon ist Bruno zwischen meinen  Rotbuchen verschwunden und kläfft die Nachbarschaft aus ihren Betten. Das war’s mit sommernächtlicher Gemütlichkeit, Kerzenschein und Sternenhimmel. Jetzt herrscht Hektik. Schließlich muss ich den Hund in meiner Hecke zum Schweigen bringen. Und zwar fix! Sonst steigt mir die liebe Nachbarschaft aufs Dach.

 

 

 

Ich bitte. Ich flehe. Ich rufe. Bruno denkt überhaupt nicht daran zu reagieren. Im Gegenteil. Er kläfft  und kläfft. Die ersten Rollläden werden bereits wieder hochgezogen, aber mein Hund bellt weiter. Immer hysterischer. Immer lauter. Also taste ich mich durch die Nacht, um nachzusehen, was denn nun in der Hecke los ist. Natürlich nahezu blind. Die Taschenlampe? Verlegt! Kerzenlicht? Ausgepustet! Das Feuerzeug? Kann ich im Dunkeln nicht so schnell finden. Ist jetzt aber auch egal. Ich kämpfe mich vorsichtig in die Hecke. Und da steht er nun: breitbeinig, den Kopf gesenkt, das Nackenhaar aufgestellt. Wen oder was kläfft Bruno da nur an – um Himmels Willen? Sieht er etwa Gespenster?

Mein Hund! Mein Held!

Bruno verteidigt sein Revier. Ganz klar. Aber gegen wen? Hilft nix – ich muss noch einmal zurück. Eine Taschenlampe muss her. So stolpere ich ins Haus, während der Hund weiter bellt und die Nachbarn schon neugierig die Fenster öffnen. So! Taschenlampe gefunden. Vorsichtshalber nehme ich auch noch die Gartenhandschuhe mit. Man weiß ja nie. Zurück in der Hecke geht mir mehr als ein Licht auf: Bruno hat einen Igel gestellt. Einen Igel! Und er tut gerade so, als ob er uns gegen die größte Bedrohung verteidigen müsste. Ein Igel! Ich fasse es nicht. Deswegen das ganze Trara und Tätärä. Mein Hund! Mein Held! Böse sein kann ich ihm jetzt nicht. Ist doch eigentlich auch irgendwie süß.

 

Wenigstens einmal vorsichtig schnuppern – Bruno lernt den Igel kennen. So einen Kameraden hatte er vorher noch nie gesehen. Foto: frankskleinergarten.de

 

 

Der Igel hat sich ganz klein gemacht, zusammengerollt, streckt die Stachel raus. Das arme Tier ist total verängstigt. Vorsichtig nehme ich den kleinen Ball und trage ihn ins Haus. Erst einmal nachschauen, ob er gesund ist. Bruno tappst mit Stolz und schwanzwedelnd hinterher. Langsam entspannt sich der Igel und öffnet sich ein wenig. Er scheint in Ordnung zu sein. Keine Wunden, nix gebrochen, gutes Gewicht. Also wieder ab mit dem Tier in die Natur. Neben meinem Haus gibt’s einen verwilderten Grünstreifen – Büsche und Bäume inklusive. Dort wird er sich wohlfühlen. Dort kann Bruno ihn kein zweites Mal stellen. Also wird der Igel dort von mir wieder abgesetzt. Ich spüre seine Erleichterung. Kaum abgesetzt, flitzt er schon ins Dunkel. Und Bruno? Der wartet auf mich in meinem kleinen, dunklen Garten.

Als Belohnung gibt’s ein Schleckerchen für Hund und Herrchen

Fröhlich begrüßt er mich auf dem Rasen. Natürlich gibt’s für den wachsamen Hund ein Schleckerchen. Belohnung muss sein. Auch für Herrchen. Der gönnt sich nach der ganzen Aufregung nämlich erst einmal ein Glas Weißwein. Die Rollläden der Nachbarn werden jetzt leise heruntergelassen, die Fledermäuse gehen erneut auf die Jagd und mein Kerzenlicht flackert wieder in seinem Glas. Zusammen mit Bruno mache ich es mir erneut auf dem Rasen gemütlich. Der Mond, der Sternenhimmel, die Sommernacht sind einfach zu schön, um jetzt schon hineinzugehen – auch wenn’s mittlerweile 3 Uhr morgens ist und mein Garten ansonsten dunkel bleibt…

 

 

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